Ich sitze allein auf unserem Sofa im Wohnzimmer. Mein Hintern ruht genau genommen auf meinen Füßen, die sich zwischen der Couch und mir verschränken um den Abstand zwischen Hintern und Stoff zu wahren. Am Couchtisch steht ein großes Häferl mit Jasmintee und dampft stillschweigend vor sich hin. Es ist mittlerweile halb acht und die Sonne nähert sich in einer schnellen abwärts Bewegung dem Horizont. Der Abend bricht herein und mein Gefühl sagt mir, bis ich für heute fertig bin wird der Mond bereits hoch oben am Himmel stehen.
Ganz fest habe ich mir heute vorgenommen endlich den ersten Beitrag für meinen Blog zu schreiben. Lange hab ich überlegt wie ich damit anfangen soll. Über welches Thema ich schreiben soll. Über Produkte, über Arbeitsweisen, vielleicht auch eine Anleitung zu beiden oder möglicherweise doch eher etwas Emotionales? Nach reiflicher Überlegung habe ich mich schlussendlich für letzteres entschieden und das aus einem ganz einfachen Grund. Ich bin keine Produkttester, naja ausgenommen meiner eigenen. Ich probier gerne, für mich, neue Dinge und Arbeitsmethoden aus aber öffentlich darüber zu urteilen ob etwas gut oder schlecht ist überlasse ich dann doch anderen „Bloggern“. Die Ausrufezeichen habe ich deshalb gewählt weil ich mich eigentlich nicht als Blogger sehe. Ich könnte auch genauso gut die ganze Seite in „Nico’s Tagebuch, auch wenn er nicht täglich schreibt, über Dinge, die in ihm vorgehen“ nennen doch das würde schon sehr für Verwirrung sorgen, also belasse ich es kurz und bündig beim Blog. Mit Anleitungen, zum Beispiel zu Arbeitsmethoden oder ähnlichen, die man zuhauf in unterschiedlichen Vlogs findet, verhält es sich nicht anders. Es gibt genug Leute im Internet mit weitaus mehr Talent und Ausdauer, die solche Videos produzieren und online stellen. Ich jedoch möchte mich auf das Wesentliche meiner Arbeit konzentrieren und weder meine Zeit noch meine Nerven in Dinge investieren, die mir am Ende des Tages keine Freude bereiten.
Und so sitze ich nun hier und tippe ein Wort nach dem anderen in meinen Laptop. Geschrieben auf einen weiß leuchtenden Hintergrund, der einen höheren Effekt auf meinen Körper hat als drei Energy Drinks verdünnt mit fünf Espresso. Der Tee ist mittlerweile einem großen Bier gewichen und meine Füße sind zum x-ten Mal eingeschlafen. Ich ertrage das Kribbeln nicht mehr länger und habe deshalb beschlossen sie schlafen zu lassen. Wie gelähmt sitze ich da und tippe in die Tastatur.
Die letzten Wochen waren überaus interessant und brachten mir viele neue Erkenntnisse, Erfahrungen und Aha-Momente. Ich habe geflucht, viel geflucht, verdammt viel geflucht. So viel, dass es Tage gegeben hat, an denen ich Mittags beschloss nach Hause zu gehen um die Last einfach in der Werkstatt zu lassen. Zuhause kann ich nicht fluchen, nicht so. Ein Grund ist unser kleiner Mann. Er ist gerade fünfzehn Monate alt und sein Sprachzentrum arbeitet auf Hochtouren. Da wird aus einem handelsüblichen Schimpfwort schnell ein Rosa-Zuckerwatte-Glücksbärchi-Regenbogen-Wort. Okay vielleicht auch mehrere jedoch immer kindesgerecht verpackt.
Naja auf jeden Fall, habe ich die letzten Wochen sehr viel gelernt. Über mich selbst, über mein Umfeld, über die Hürden der Bürokratie und was sonst noch so dazu gehört wenn man sich selbstständig macht. Lehrgeld bezahlen zum Beispiel. Jeder muss hier oder da sein Lehrgeld bezahlen. Ich jedoch bin ein ganz besonderer Spezialist und komme möglicherweise etwas häufiger zum Handkuss als andere. Ich habe gelernt darüber zu lachen, zumindest im Nachhinein, weil wenn ich ehrlich zu mir bin handelt es sich meist nur um Kleinigkeiten, belanglose Dinge, die zwar im Moment, in dem man ihnen auf die Schliche kommt, sehr ärgerlich sind aber bis auf den Verlust einiger Euros keine weiteren Konsequenzen haben. Sofern man daraus lernt. Und das tu ich, tagtäglich.
Die Kohlensäure ist langsam aber doch aus meinem Bier verschwunden. Nicht nur die fehlenden aufsteigenden Bläschen, sondern auch der schale Geschmack verraten es mir. Wie versprochen steht der Mond hoch oben am Himmel und die Uhr am Herd verrät mir, dass es bereits halb elf ist. Sterne kann ich keine Entdecken, hätte mich auch gewundert bei der Festbeleuchtung in Wien. Dann erfreue ich mich eben der Straßenbeleuchtung des Wiener Gürtels. Doch bevor ich mich voll und ganz dem wunderschönen Großstadtausblick hingebe mache ich für heute Schluss. Ich denke fürs erste reicht das und morgen ist ja auch noch ein Tag.
Der Handkuss der alle heimsucht kann auch dazu führen „sein Tun“ in Frage zu stellen.
Darüber zu schmunzeln ist oftmals der einzig wahre Umgang mit diesen. Was bleibt uns auch anderes übrig? Das Bier gegen einen guten Rum einzutauschen ist auf Dauer auch keine Lösung. Sich Nächte um die Ohren schlagen, auch nicht.
Dies jedoch, soll kein Hindernis darstellen auf dem Weg zur Selbsterfüllung. Eine Selbsterfüllung, in unserem tun zu finden.
Wenn man etwas gern macht sind die Ergebnisse immer besser als wenn dem nicht so ist. Seine Leidenschaft zum Beruf zu machen ist jedoch nicht allen vergönnt- oder gegeben.
Sich, trotz aller Anstrengungen und allem Ärger zu stellen mag mühsam erscheinen. Sich am Abend in der Werkstatt hinzusetzen um zu betrachten welch Unikat man gerade wieder geschaffen hat, welch Freude es dem Kunden bereiten wird, entschädigt dann jedoch aller Mühen.
Das ist dann die Leidenschaft, von der so oft gesprochen wird.